Autotouring/Oktober 1998
In vollem Einsatz  

Dauertest: Flink wie die Feuerwehr - Das Fiat Coupé 20V Turbo hatte seine Qualitäten in der Stadt und auf schnellen Fernfahrten zu beweisen.

 
Michael Stirner

Das Fiat Coupé 20V Turbo geht wie die Feuerwehr

 

 

Bild: Jürgen König

TECHNISCHE DATEN
MOTOR
Fünfzylinder-Reihenmotor mit Abgasturbolader, Ladeluftkühler, zwei obenliegenden Nockenwellen, vier Ventilen je Brennraum und elektronischer Benzineinspritzung - quer eingebaut
Hubraum 1.998 cm³
Leistung 162 kW / 220 PS
max. Drehm. 310 Nm / 2.500 /min
Treibstoffbedarf 95 ROZ
KRAFTUEBERTRAGUNG
Vorderradantrieb, Fünfgang-Getriebe
FAHRWERK
Vorn Dreiecksquerlenker und Federbeine, hinten Einzelradaufhängung an Längslenkern, Teleskopstoßdämpfer, Schraubenfedern, vorn und hinten Kurvenstabilisatoren, Vierradscheibenbremsen, vorn innenbelüftet, ABS, Zahnstangenlenkung, Reifen 205/50 RY 16
ABMESSUNGEN, GEWICHTE
Länge 4.250 mm
Breite 1.770 mm
Höhe 1.360 mm
Leergewicht 1.320 kg
Gesamtgewicht 1.720 kg
Laderaum min/max 295 l / - l
Tankinhalt 63 l
MESSWERTE
WERKSANGABEN
Hoechstgeschwindigkeit 250 km/h
MVEG-Verbrauch
Überland 7,6 l/100
Stadt 14,4 l/100
gesamt 10,1 l/100
PRAXIS-TESTWERTE
Beschleunigung
0-100 km/h 6,5 sec
Elastizität
60-100 km/h (4. Gang) - sec
80-120 km/h (5. Gang) - sec
Bremsweg 100-0 km/h - m
Verbrauch
Landstraße 7-9 l/100
Stadt 13-15 l/100
Autobahn (ca. 130 km/h) 9-11 l/100
Testdurchschnitt 11,5 l/100
FIXE KOSTEN
PREIS (inkl. Abgaben) 449.000 S
KFZ-STEUER
bei jährlicher Zahlung 8.280 S
VERSICHERUNG (jährlich) z.B. Stufe 0:
ÖAMTC-Haftpflicht 4.716 S
ÖAMTC-Bonus-
Vollkasko
10.226 S
VARIABLE KOSTEN
WARTUNG
(Kosten für Arbeitszeit, Material samt Mehrwertsteuer)
1.000-km-Wartung kostenlos S
20.000-km-Service 1.559,00 S
40.000-km-Service 4.082,00 S
- - S
REPARATUREN
Die Fernbedienung der Zentralsperre wurde mehrmals, die Heizungsregelung einmal repariert (Garantie).
REIFEN
Rechnet man den Abtrieb der Sommer- und Winterbereifung während der gesamten Testzeit zusammen, wäre bei 40.000 km ein kompletter Satz Reifen fällig geworden. Auf die Testdistanz von 50.000 km entfallen daher die Anschaffungskosten für 5 Reifen.
SUMME DER VARIABLEN KOSTEN
5.750 Liter Eurosuper für 50.000 km à S 11,00 63.250,00 S
Wartungskosten 5.651,00 S
Reifen ca. 12.500 S
  S
Summe 81.401,00 S
Somit ergaben sich an laufenden Kosten (ohne Steuer, Versicherung, Wertverlust und sonstige Nebenkosten) S 1,63 pro Kilometer.S

Technische Daten, Ausstattungen, Preise und laufende Kosten beziehen sich auf den Erscheinungstermin der jeweiligen Ausgabe.


Technische Daten, Ausstattungen, Preise und laufende Kosten beziehen sich auf den Erscheinungstermin der jeweiligen Ausgabe.

England, Italien, Tschechien, Slowenien – der feuerrote Flitzer aus Italien ist im Zuge des Kilometersammelns recht weit herumgekommen und zwischendurch gab es auch keine echten Erholungspausen: Stau, Kriechtempo und Kurzstreckengestocher in der Stadt sind nicht unbedingt ideale Lebensbedingungen für einen rassigen Sportwagen – schon gar nicht für einen mit 162 Turbo-kW (220 PS). Umso interessanter also, wie sich das Coupé Fiat unter diesen Voraussetzungen bewährte, ob es hinsichtlich Verbrauch die Befürchtungen übertraf und in punkto Verläßlichkeit die Erwartungen erfüllte. Für Spannung war also zweifellos gesorgt.

Karosserie:  gut
Zeitlos elegant, strömungsgünstig, recht ordentlich verarbeitet. ...mehr

Ausstattung:  sehr gut
Alles drin, alles dran - im Topmodell der Coupé-Reihe braucht man wirklich auf nichts zu verzichten. ...mehr

Platzangebot:  gut
Für einen Sportwagen dieses Kalibers sogar erstaunlich geräumig. ...mehr

Motor:   gut
Ein Kraftlackel der besonderen Art. Der Turboschub ist nicht immer fein dosierbar, der Verbrauch orientiert sich am Temperament des Fahrers. ...mehr

Getriebe:  sehr gut
Gut auf die Motor-Charakteristik abgestimmt und sauber zu schalten. ...mehr

Fahreigenschaften:  gut
Dank der herzhaften Motorleistung ausgeprägte Antriebseinflüsse in der Lenkung - verlangt viel Feingefühl auf glatter Fahrbahn. ...mehr

Fahrkomfort:  gut
Reichlich straff, aber dank gut geformter Sitze langstreckentauglich. ...mehr

KAROSSERIE, RAUM  
Sergios Superding
Als das Coupé Fiat vor ziemlich genau fünf Jahren der Öffentlichkeit präsentiert wurde, erntete es ausnahmslos Beifall. Und bis heute gilt der Sportler aus Turin als zeitlos chic. Die Handschrift des italienischen Meisters ist jedenfalls unverkennbar: Das Designer-Team unter Leitung von Sergio Pininfarina hat dem Coupé nicht nur ein formvollendetes Kostüm geschneidert, sondern auch für die nötigen Akzente gesorgt. Hier wurde eine verwegene Falte gekonnt in den Radkasten gebügelt, dort die rechte Hüfte mit dem schönsten Aluminium-Tankdeckel diesseits der dreißiger Jahre verziert. Und angesichts des zwar ein wenig nostalgischen, aber keineswegs antiquierten, Armaturenbretts kommen nicht nur Verehrer südländischer Eleganz ins Schwärmen.
Daß gekonntes Styling nicht ausschließlich reinem Selbstzweck dienen muß und auch bei den schönsten Lösungen noch der praktische Nutzwert erhalten bleiben kann, stellt der Altmeister mit diesem 2+2-Sitzer gekonnt unter Beweis. Und darin unterscheidet sich der Pininfarina-Fiat wohltuend von so manch chicem Konkurrenzvehikel: Das Coupé ist geräumig genug für zwei Erwachsene und zwei Kinder. Um elegant und schwungvoll ein- und aussteigen zu können, sollte die Fiat-Besatzung allerdings noch über ein Mindestmaß an Geschmeidigkeit verfügen. Luxation und Muskelriß drohen gewiß nur total versulzten Zeitgenossen – und das auch nur, wenn sie in den Fond kraxeln.
Kofferraum und Ablagemöglichkeiten decken sogar den gesteigerten Transportbedarf einer Urlaubsreise ab, vorausgesetzt, man will nicht zwei komplette Golfausrüstungen zum normalen Reisegepäck dazu addieren. Jedenfalls bietet der hüfthohe Fiat mehr Bewegungsfreiheit und mehr Laderaum, als man ihm auf den ersten Blick zutraut. ...nach oben

AUSSTATTUNG  
Primadonna im Safaripark
Mehr Feuer hat kein anderes Fiat-Coupé und daher wohl auch keine umfangreichere Serienausstattung. Die Liste jener Details, die man noch dazukaufen kann – oder muß – ist jedenfalls so kurz wie ein Kinderhemd. Außer für den Metallic-Lack (S 4.900,–), die Radiovorbereitung inklusive sechs Lautsprechern (S 3.000,–) und eines elektrisch bedienbaren Schiebedach (S 10.200,–) kann man beim besten Willen nichts ausgeben. Im Grundpreis von S 449.000,– sind nämlich sogar die Klimaautomatik, feinste Ledertapezierung, eine recht sensible Alarmanlage sowie die Scheinwerferwaschanlage inkludiert.
Natürlich verfügt der flotte Fiat auch über so gut wie alle zeitgemäßen Sicherheitsdetails. So sind unter anderem zwei Airbags, Gurtstraffer und ABS mit von der Partie. Und auch auf die zusätzliche Schutzwirkung der in der technischen Beschreibung versprochenen seitlichen Karosserieversteifungen darf man getrost vertrauen – obwohl wir ihre Wirkung nicht in der Praxis ausprobiert haben.
Sehr wohl hingegen wurde die Verläßlichkeit des leichtlebigen Italieners auf die Probe gestellt. Und erstaunlicherweise schlug nur ein bisserl die ohnehin erwartete Primadonna durch. Das anfangs vernommene Knarren aus den Gebeinen des Beifahrergestühls wurde zwar leiser und leiser, dafür aber meldete sich die Alarmanlage eines Tages umso lauter zu Wort. Die Fernbedienung der Zentralsperre – schon vorher wiederholt störrisch und bei jedem Service pflegebedürftig – funktionierte plötzlich überhaupt nicht mehr und als der Tester schließlich den Wagen mit dem Schlüssel öffnete, schlug erwartungsgemäß die nicht gerade zimperliche Mehrklanghupe an. Zwar passierte das – erfreulicherweise – nicht wie sonst üblich zu Mitternacht und in der Innenstadt, sondern tagsüber bei einem Fototermin im Safaripark. Aber auch dort herrschte minutenlang heller Aufruhr und Löwen sowie Elefanten wetteiferten brüllend mit der Alarmhupe. Dank eines in der Betriebsanleitung offerierten Kunstgriffs kehrte dann Ruhe ein und schon am nächsten Tag hatte die Service-Mannschaft wieder was zu tun.
Angesichts der zahlreichen elektronischen Bauteile und des nicht gerade primitiven Antriebsaggregats muß man diesem Fiat aber trotzdem tolle Verarbeitungsqualität und hohe Verläßlichkeit attestieren. Schließlich endete jede Fahrt exakt am vorgesehenen Zielort – ein Umstand, der Besitzer mancher früherer Sportwagen aus dem sonnigen Süden in fröhliche Feierstimmung versetzt hätte. Schließlich verzeiht man doch auch einer vierrädrigen Primadonna gern so manche vorübergehende Unpäßlichkeit… ...nach oben

FAHREIGENSCHAFTEN, FAHRKOMFORT  
Im Laufschritt durch Liliput
Den Grund für eine etwas höhere Toleranz-Bereitschaft bietet das Coupé nicht nur beim Anschauen, sondern erst recht beim Fahren. Schon der Griff ans Lenkrad malt dem Fiat-Fahrer ein breites Grinsen ins Gesicht und was nach dem Losfahren passiert, läßt sich am besten unter dem Begriff Fahrfreude zusammenfassen. Denn Spaß macht der Italiener allemal – mit einer Einschränkung freilich: Übermut verträgt er nicht.
Einleuchtend, denn ein Fronttriebler mit derart satter Leistung verlangt – zumindest bei flotter Gangart oder auf glatter Fahrbahn – nach einem abgeklärten, erfahrenen und stets wachen Chauffeur. Die straffe Harmonie zwischen Dämpfung und Federung liefert zwar tolle Bodenhaftung in Kurven und beim Bremsen, physikalische Grenzen kann aber auch dieser Fast-Ferrari nicht verschieben. Schließlich sollte man nie vergessen, daß da gut eineindrittel Tonnen Metall und Kunststoff unterwegs sind, die speziell bei Über- landtempo eine geballte Ladung kinetischer Energie reprä- sentieren. Daran können auch die sensibelste Steuerung und das beste ABS nichts ändern.
Mit Hirn und Herz bewegt, bereitet das Coupé allerdings so viel Spaß, daß man fast ein schlechtes Gewissen bekommt, wenn man rundum in neidvolle Gesichter schaut. Und da Geräuschdämmung und Sitzkomfort ebenfalls passen, läßt der Power-Fiat Langstrecken schrumpfen, als paßten sie in Gullivers Winzling-Königreich Liliput. ...nach oben

MOTOR, GETRIEBE  
Mit der Kraft der Pferde
Zwei Liter Hubraum, fünf Zylinder, vier Ventile je Brennraum, Abgasturbolader mit Ladeluftkühlung – unterm Strich kommen nicht nur stolze 162 kW, umgerechnet also herkömmliche 220 Vollblutpferde heraus, sondern auch ein gewaltiges Drehmoment von 310 Nm. Damit steht das Coupé Fiat einem BMW 535i oder einem 320er S-Klasse-Mercedes kaum nach. Und diesen beiden mangelt’s ja wirklich nicht an bulliger Zugkraft. Allerdings reißt bei vollem Turboschub die gesammelte Wucht des italienischen Mustermotors an den Vorderrädern an und das spürt man doch recht deutlich bis ins Lenkrad. Es preßt einen in den Sitz und man hat kaum Zeit, den nächsten Gang einzulegen.
Geradezu lammfromm ist der feurige Fünfzylinder nämlich nur, bevor der Turbo einsetzt. Solcherart schonend betrieben, gibt sich das Coupé freilich beinahe sparsam: Verbrauchswerte sogar unter 10 l je 100 km sind zwar selten, aber doch möglich. Hitzigere Temperamente verpulvern hingegen auch mehr als 14 Liter für die gleiche Distanz. Aber viel teurer als der Eiltempo-Aufschlag an der Tankstelle käme letztlich jener, den man an aufmerksame Ordnungshüter zu entrichten hat. Denn zu schnell ist man mit dem Coupé Fiat 20 V turbo nur allzu leicht. ...nach oben